HR Trends in der Personalentwicklung 2022: Zukunft versus Realität

5 Min. Lesezeit
Mi, 19.10.2022

Besucher des L&Dpro Expofestivals, welches dieser Tage in München stattfand, mussten gut Englisch können. Denn die Vorträge zu den aktuellen HR-Trends waren gespickt mit Anglizismen, die Großes erahnen lassen. Human Resources und Personalentwicklung 2022, so das Credo, muss komplett neu gedacht werden. Dies scheint in den Personalabteilungen der Gegenwart jedoch noch nicht angekommen zu sein.  

Info: Dieser Text entstand im Zuge eines Besuchs auf dem L&Dpro Expofestival 2022 in München. Autor ist Sebastian Bach, Head of Marketing bei blink.it, der hier seine subjektiven Eindrücke schildert. 
 

Ein eigenes Quiz für trendige HR-Buzzwords

Es gibt wohl nur wenige Branchen, in denen zu Beginn eines Messetags ein Quiz („L&D Quizshow”) veranstaltet wird, das Fachbesuchern die Begriffswelt der eigenen Branche erklärt. Kein Wunder, so blinkten und blitzten die bedeutungsschwangeren Buzzwords doch nur so von den hell erleuchteten Präsentationswänden des MVG Museums in München, und der geneigte Besucher fragte sich, was diese wohl bedeuten mögen. Hier offenbarte sich bereits ein erster Indikator, dass die neuen Methoden, Strategien und Trends der Personalentwicklung zwar hypothetisch bekannt, aber aus Sicht der Unternehmen erst noch erkannt und gelebt werden müssen. Unterhaltsam war das Quiz allemal. 

Trends der Personalentwicklung: Was ist mit analog?

„Green L&D” meint beispielsweise die Hinwendung von Learning & Development zu Nachhaltigkeit, Bewusstsein und Mäßigkeit. Doch was bedeutet das eigentlich konkret, wenn dieser Bereich green wird? Verbrauchen Deutschlands Personalabteilungen und ihre Supplier künftig weniger Strom, werden Serverlast und Papier gespart, oder wird vielleicht einfach nur weniger gegessen? Nein, es geht darum, ein Bewusstsein für die Thematik bei Mitarbeitern zu schaffen und Personalentwicklungsmethoden in ihrer Mitarbeiterorientierung neu zu positionieren. Das passt hervorragend zum Zeitgeist. McKinsey & Company geht in einem Artikel aus dem Frühjahr 2022 gar davon aus, dass Reinventing HR über Erfolg und Misserfolg im Umgang der Berufswelt mit den Nachwirkungen der Corona-Pandemie entscheidet. Man könnte also von hohem Druck sprechen.

Agile Feuerlöscher: Wo ist das Telefon?

Dass die HR-Abteilung der Gegenwart aber mit dem Fachkräftemangel vor einem sehr analogen Problem steht, erfasst McKinsey's Trendbericht zur Personalentwicklung nur ungenügend. Was soll denn schließlich neu gedacht werden, wenn die Leute, also die eigentliche Ressource und das Zentrum der Strategie, fehlen? Hilft mir da eine KI? Aber ja, wie wir im späteren Verlauf dieses Artikels sehen werden. Erstmal jedoch sehen sich der oder die HRler damit konfrontiert, dass ihr Tagesgeschäft, je nach Größe des Unternehmens und dessen Spezialisierung, eine Beschäftigung mit solch komplexen Fragen nicht zulässt.

Denn, wenn die Produktion auf Grund von Ausfällen stillsteht, dürfte der Wille der Geschäftsleitung jetzt doch mal eine KI einzuführen gering bis sehr gering sein. Hier sind, gemäß einschlägigen Erfahrungsberichten aus bundesdeutschen Personalabteilungen, vor allem analoge Handlungen gefordert, zum Telefon greifen, mit Menschen sprechen, Menschen einstellen, schnell, kurzfristig, zur Not noch am selben Tag. Die Leute, die diese Prozesse schultern, sind zweifelsohne sehr agil, da stets anpassungsfähig – mit agiler Personalentwicklung hat ihr Job aber wenig zu tun.

Die HR-Abteilung der Zukunft reagiert nicht, sie geht voran!

Wie der SPIEGEL unter Bezugnahme auf eine Studie von Boston Consulting berichtet, kommt der durch den Fachkräftemangel ausgelöste Verdienstausfall die deutsche Wirtschaft bereits jetzt teuer zu stehen: Ein Ausfall von 80 Milliarden Euro ist zu beklagen, 1,9 Millionen offene Stellen vermeldete das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg allein für das zweite Quartal. Da steht man nun mit seiner Aktentasche (ohne Broschüren, da natürlich alles digital) und lauscht Beiträgen über KI-Recruiter, die einem die Arbeit abnehmen und über Avatare, die Menschen onboarden und Probleme lösen. Wäre ja super. Aber eigentlich soll die HR-Abteilung der Zukunft ja gar nicht mehr so viel recruiten und reagieren, sie soll agieren, führen und ins Unternehmen hinein wirken! Sie ist die freundliche Triebfeder einer selbstlernenden Organisation! Potenzialentwickler, Lernanimierer, Trainer, Coach, Ausbilder UND Talentschmied. Nochmal, auch hier könnte man von Druck sprechen! Jedenfalls steht fest: Anstatt um Urlaubsanträge und Fortbildungsbescheinigungen geht es in der Personalentwicklung methodisch in Zukunft um:

Corporate learning

Learning on Demand

Collaborative learning

Micro-Credentials

Immersive learning

Workplace Learning

E-Recruiting

user-generated content

Green HR

... und viele andere schöne Dinge ...

Der Traum: Daten nehmen uns die Arbeit ab

Natürlich gibt es auf dem L&Dpro Expofestival Stände und Unternehmen, die passgenaue Lösungen für genau diese Aufgaben anbieten und die Herausforderungen in der Personalentwicklung erheblich vereinfachen können. Dennoch sieht die operative Realität in vielen Unternehmen anders aus, weswegen hier in der Tat Fortschritt und eben auch ein zum Erkenntnisgewinn beitragendes Quiz vollkommen angebracht sind. Die Branche benötigt Lösungen und die gibt es. Man muss sie aber erst einmal verstehen und zuvor wissen, ob sie zur Lebensrealität des eigenen Arbeitgebers passen. Ein Besuch in München konnte hier Abhilfe schaffen, wenngleich vor Ort der Eindruck entstand, dass hier vor allem Aussteller mit Ausstellern sprachen.

Bei all der Begriffsschwere und Innovation rundum hochmodernen Onboarding-Ansätzen, Cyberbrillen und Strategie wird aber insbesondere beim Thema Recruiting deutlich, wo sich die Optimisten und die Pessimisten der Branche befinden: Saša Savić, Chief Sales Officer von Cobrainer, zählt zweifelsohne zu den Optimisten. Der Titel seines Vortrags lautete: „Die besten Talente? Sind schon da!

Saša Savić, Chief Sales Officer von CobrainerMachte klar, welche Skills den Unternehmen aktuell noch fehlen: Saša Savić, Chief Sales Officer von Cobrainer.

Savić und Cobrainer verfolgen den Ansatz, doch erstmal die bereits vorliegenden Skills der Stammbelegschaft zu entschlüsseln und bedarfsgerecht weiterzuqualifizieren. Das Talent der eigenen Mitarbeiter und der Ausbau ihrer Fähigkeiten liege oft ungenutzt im Verborgenen. Zum einen, weil Weiterbildungsangebote vielerorts in übersichtlichen Katalogen abgefasst und in der Regel auf Abteilungen, nicht auf einzelne Mitarbeiter, zugeschnitten seien. Aber auch weil den Unternehmen die Daten in vernetzter Form fehlten, um überhaupt eine sinnvolle Einschätzung zum Skill-Level und zum Entwicklungspotenzial ihrer Mitarbeiter treffen zu können. Talente und Trends zu erkennen und Wachstum individuell zu fördern, sei daher die zentrale Aufgabe des HR der Zukunft.

Der etwas pessimistischere und verbreitetere Ansatz geht bekanntlich davon aus, dass man dem Fachkräftemangel vor allem durch effizienteres Recruiting begegnen müsse, da ansonsten dunkle Zeiten bevor stünden. Der Recruiting-Ansatz wirkt aber nicht nach innen, sondern nach außen und ist per Definition ein sehr komplexes und zeitintensives Unterfangen, das heute wahrscheinlich den Löwenanteil der Tätigkeit einer Personalabteilung ausmacht.

Auch hier kann künstliche Intelligenz beim E-Recruiting unterstützen, insbesondere bei der Vorauswahl der entsprechenden Kandidaten und Kandidatinnen. Grundlage als Voraussetzung des Erfolgs: wieder jede Menge Daten! Und natürlich ist eine solche Implementierung aufwändig und man muss die Daten lesen und verstehen können. Aber die Zeitersparnis und die Qualität der Resultate in einigen Demonstrationen wurden flächendeckend als beeindruckend wahrgenommen. Spinnt man diesen Gedanken weiter, könnte eine moderne HR-Abteilung also tatsächlich stärker ins Unternehmen hineinwirken – wenn sie die passenden Tools, die Zeit und das Wissen auf ihrer Seite hat. Das gilt sowohl für das Onboarding als auch für die Weiterqualifikation und die Vermittlung von Know-how zwischen Mitarbeitern und Abteilungen.

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